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Drei Länder, ein Tag

  • Autorenbild: Cora
    Cora
  • 29. März 2023
  • 4 Min. Lesezeit

In den letzten Tagen haben wir uns Gedanken über unsere Weiterfahrt gemacht. Heute ist es endlich so weit. Wenn alles nach Plan läuft, schlafen wir heute Abend 200 Kilometer und zwei Landesgrenzen weiter an einem nicaraguensischen Strand ein. Wir haben uns nämlich dazu entschieden, Honduras zu skippen und das Land ohne eine Übernachtung zu durchqueren. Es gibt keine wirklich guten Surfspots und auch die Sicherheitslage ist heikel. Um sieben Uhr morgens fahren wir von Punta Mango aus los und sind schon 15 Minuten später in El Cuco. Die Strassenarbeiten sind so früh noch nicht im Gange. Im selben Laden, vor dem wir vor ein paar Nächten geschlafen haben, kaufen wir uns Frühstück. Da kommt der kleine Sohn der Betreiberin und zeigt und stolz seinen Papagei. Wir dürfen ihn uns auf die Schulter setzen und knipsen ein paar Fotos.



Mit vollgeschlagenem Bauch brechen wir auf in Richtung Grenze. Dies wird unsere kürzeste Etappe, da wir nur 50 Kilometer von Honduras entfernt sind. Der Übergang klappt okay, dieses Mal ist es aber unmöglich, alle Helfer abzuwimmeln, die sich einem aufdrängen. So hängt sich einer an uns dran, fairerweise beschleunigt er das Prozedere aber auch um einiges. Wir geben ihm ein Trinkgeld und er verabschiedet sich dankend. Insgesamt dauert der Prozess etwa 45 Minuten, wir sind also perfekt im Zeitplan. Hoffentlich bleibt das so!


Die zweite Etappe besteht aus der Durchquerung von Honduras. Es sind ungefähr 150 Kilometer bis an die nächste Grenze. Aufgehalten werden wir lediglich durch unser Hungergefühl. In der Mitte der Strecke kehren wir in einem Restaurant ein. Der Magen ist zwar wieder gefüllt, wir bemerken allerdings, dass das frühe Aufstehen und die lange Fahrt ihre Spuren hinterlassen. Wir sind beide ziemlich k.o. Trotzdem fahren wir ungehemmt weiter. Um circa ein Uhr kommen wir an. Wie immer überholen wir die kilometerlange LKW-Schlange und fahren auf der Gegenfahrbahn bis vor den Grenzposten. Wir lassen uns aus Honduras ausstempeln, was sehr schnell geht. Nun müssen wir nur noch offiziell nach Nicaragua einreisen.


Bis zur nicaraguensischen Seite fehlen noch ein paar Kilometer, die wir jedoch schnell überwinden. Vor den Grenzhäuschen angekommen, werden wir sogleich von einem Beamten zur Seite gewinkt. Er weist uns auf eine kleine Wiese neben der Strasse, wo wir parken sollen. Neben uns steht noch ein weiteres Auto. Der Beamte scheint nicht zufrieden damit, wie Philip geparkt hat. Er möchte, dass Gorda mit dem Heck am Heck des anderen Fahrzeugs steht. Als Philip ihn verwundert fragt, wieso, antwortet er gelassen, dass es so einfacher sei, den Toten in unser Auto zu heben. Komplett verwirrt starren wir ihn an. Welchen Toten???!! Er fragt uns, wo genau er die Leiche hinlegen soll. Wir bemerken jetzt, dass das Auto neben uns ein Leichenwagen ist. Vehement wehren wir uns dagegen, einen Sarg mit über die Grenze zu nehmen. Die Diskussion dauert ungefähr fünf Minuten, dann wird klar: Der Beamte hat Gorda mit einer Ambulanz verwechselt. Die Leiche sollte von einem nicaraguensischen Auto bis an die Grenze und von einem anderen dort abgeholt werden. Dass der Krankenwagen von zwei zwanzigjährigen Europäer*innen gelenkt wird, hat den Mann anscheinend nicht verwundert. Lachend und gleichzeitig erleichtert, dass kein Toter in unserem Wagen liegt, stellen wir Gorda auf einen der normalen Parkplätze und wollen unseren Grenzübergang fortsetzen.


Sogleich stellt sich heraus, dass wir einen fatalen Fehler begangen haben: Wir sind praktisch ohne Bargeld angereist. Noch in Honduras hatten wir überlegt, noch etwas abzuheben, uns aber letztendlich dagegen entschieden. Die verschiedenen Prozeduren, um nach Nicaragua einzureisen, kosten alle zusammen circa 50 Dollar und lassen sich ausschliesslich in bar bezahlen. Wir fragen nach dem nächsten Bankomaten. Der in Honduras ist eine Stunde entfernt, der in Nicaragua wäre 15 Minuten weit weg, ohne Geld können wir aber nicht über die Grenze. Verzweifelt suchen wir in all unseren Taschen nach vergessenen Scheinen, finden aber nur zehn Franken, mit denen wir hier auch nichts anfangen können. Es gibt weit und breit niemanden, der uns aushelfen könnte. Verzweifelt fragen wir herum, bis sich schliesslich ein Grenzbeamter dazu bereit erklärt, Philip auf seinem Motorrad "illegal" mit über die Grenze nach Nicaragua und bis zur nächsten Tankstelle zu nehmen. Er redet kurz auf den Chef ein, bis dieser zustimmt. Cora muss als Absicherung im Grenzbüro bleiben. Sie wartet geduldig, es dauert aber ziemlich lange. Irgendwann kommt Philip aber heil zurück und hat das benötigte Geld dabei. Auf der Fahrt ist ihm und seinem Helfer das Benzin ausgegangen, also mussten sie sich neues von einem Freund des Fahrers bringen lassen. Wir zahlen dem Beamten ein kleines "Trinkgeld", dann können wir endlich mit unserem Einreiseprozess fortfahren.


Gegen fünf Uhr sind wir fertig, es ist jetzt allerdings zu spät, um noch bei Tageslicht an den nächsten Strand zu fahren. Zum Glück haben wir uns einen Plan B bereitgelegt. Auf halbem Weg an die Küste befindet sich eine Art Schwimmbad. Es liegt mitten im Wald und dazu gehört ein Restaurant mit Parkplatz. Dort kann man laut unserer App billig schlafen. Müde und verschwitzt kommen wir an und freuen uns sehr über die Abkühlung im Naturbecken, das eher einer Art Teich gleicht. Was für ein langer Tag! Um die zwei gelungenen Grenzübergänge zu feiern, setzen wir uns an die Bar des Restaurants und bestellen ein Bier. Wir kommen mit den Betreibern, einem jungen nicaraguensischen Paar ins Gespräch und erfahren so viel über die Region und das Land im Allgemeinen. Unter anderem wird uns erzählt, dass in Nicaragua zurzeit eine Bande von Organhändlern*innen ihr Unwesen treibt. Für uns besteht allerdings keine Gefahr. Ihre Opfer sind ausschliesslich Kinder, deren Körper leblos im Wald zurückgelassen werden, wie uns das Paar per Foto zeigt. Solche Bilder findet man, wie fast alles in Lateinamerika, in Facebook-Gruppen. Wir sind etwas schockiert über der Anblick, machen uns jedoch keine Sorgen. Trotz dieser Gruselgeschichte schlafen wir vor Erschöpfung sofort ein und wachen am nächsten Tag mit je zwei gesunden Nieren auf.

 
 
 

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