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Die Odyssee der Mechaniker

Autorenbild: CoraCora

Gegen Mittag kommen wir beim "Taller Viktor" an. Dort erwartet uns Gorda. Bevor wir eine Probefahrt mit ihr machen können, muss erst noch der Kühlwassertank wieder eingebaut werden. Zusammen mit Viktor holen wir ihn bei den "Kühlwassertankreinigern" ab. Diese behaupten, sie hätten noch nie einen so dreckigen Tank gesehen und es wäre ein Wunder, dass wir damit noch fahren konnten. Zurück beim Auto wird alles montiert und wir können endlich eine Runde drehen. Philip setzt sich hinters Steuer, Viktor und Cora nehmen auf Beifahrersitz und Bett Platz. Nach wenigen Metern zerplatzen unsere Träume. Gorda bewegt sich nur schleichend, an Beschleunigung ist nicht zu denken. Eine Minute später beenden wir die Mission Probefahrt, parken und öffnen die Motorhaube. Der Motor macht komische Klick-Geräusche, die wir so noch nie gehört haben. Viktor behauptet, er hätte gedacht, dass wir immer schon nur so langsam hätten fahren können und dass der Motor einfach so laufen würde. Das glauben wir ihm nicht ganz. In diesem Zustand haben wir Gorda sicher nicht bei ihm zurückgelassen. Während Cora noch einigermassen gelassen über Lösungsansätze nachdenkt, beschuldigt Philip wutentbrannt Viktor, er hätte Gorda den Todesstoss erteilt. Die Stimmung ist sehr angespannt. Der Mechaniker beteuert, er hätte lediglich zwei Probefahrten (mit unserer Erlaubnis) selbst durchgeführt, bei denen der Motor heiss wurde, aber nicht komplett überhitzt ist. Wir sind überzeugt davon, dass er untertreibt und durch die wiederholende Überhitzung bleibende Schäden am Motor entstanden sein könnten. Aus Verzweiflung rufen wir eine der einzigen Personen an, die unsere Situation wirklich nachvollziehen kann. Philips älterer Bruder Dominik ist vor einigen Jahren alleine mit einem VW-Kombi von Chile bis nach Mexiko gefahren. Er kennt die etlichen Rückschläge und das Warten bei Mechanikern nur zu gut. Nach einem zweistündigen Gespräch steht unsere Entscheidung fest: Eine Grua (Abschleppwagen) soll Gorda morgen nach Xela, der nächstgelegenen Stadt, bringen. Dort gibt es (hoffentlich) kompetentere Mechaniker und ausserdem Werkstätte, die auf Motorschäden spezialisiert sind. Die Reparaturen, um Gorda wieder in Schuss zu bekommen, fallen nun grösser aus als gedacht. Deswegen wollen wir weg von Viktor und hin zu Leuten mit dem nötigen Know-how.




Gesagt, getan. Wir telefonieren, bis wir die billigste Grua finden und lassen uns abholen. Nach langer Diskussion hat Cora ausgehandelt, dass wir Viktor nur den halben Preis zahlen müssen. Wenigstens etwas.



Wir lassen uns bis zum Schrauben- und Motorzentrum in Xela schleppen. Dort wird uns ein Mechaniker des Vertrauens vermittelt. Bei Samuel stellen wir Gorda ab, der uns verspricht, sofort mit den Arbeiten anzufangen. Xela ist auch für eine Latino-Stadt ausserordentlich hässlich. In dem Viertel, in dem wir gelandet sind, reiht sich Mechaniker an Mechaniker. Wir befinden uns komplett im Industriegebiet. Die Aussicht, eine weitere Nacht eingeschlossen im Hof eines Mechanikers, ohne WC oder Dusche, verbringen zu müssen, ist nicht gerade prickelnd. Gestresst setzen wir uns in einen klitzekleinen "Comedor". Schnell kommen wir mit der Inhaberin und einem anderen Gast ins Gespräch. Sie hören sich unsere Geschichte an und erzählen uns viel über die Region. Der leicht alkoholisierte Gast wiederholt x-mal, dass Philip ihn an seinen Sohn erinnert und bietet uns deshalb an, unser Mittagessen zu bezahlen. Er lässt uns das Angebot nicht ablehnen. Als die beuden erfahren, dass wir im Moment keinen Zugang zu fliessendem Wasser haben, schlagen sie uns etwas vor. Wir sollen ins nächste Dorf fahren, wo es Thermalbäder aus heissen Quellen gibt. Dort kann man sich einen eigenen Raum für eine Stunde mieten und sich entspannen und waschen. Diese Idee begeistert uns sofort. Also setzen wir uns in den nächsten Chickenbus und fahren hin. Ausser uns sind nur guatemaltekische Familien anwesend. Sie mieten sich alle zusammen einen Raum, um sich zu säubern.


Eine Stunde später verlassen wir das Bad völlig erschöpft, aber entspannt. Das war eine wahrhaftige Wohltat. Für 30 Quetzales (4 CHF) kriegt man ein Zimmer mit grossem Bad, in das man selber Wasser einlassen kann. Es gibt eigentlich auch billigere Versionen, aber wir sind gerade in Gönnerlaune.



Samuel wartet schon auf uns und hat (gute) Neuigkeiten. Der Motor funktioniert wieder. Viktor hat, als er die Zündkerzenkabel wieder angeschlossen hat, zwei Kabel vertauscht, ohne es zu merken. Deswegen hatte der Motor keine Kraft und lief nicht rund. Hätte er dies bemerkt, wäre die Grua gar nicht nötig gewesen. Morgen wollen wir zusammen mit Samuel eine Probefahrt durch Xela machen, um diese Theorie zu bestätigen.

Frühmorgens geht es los. Wir fahren auf einen kleinen Hügel, um Gorda auch in der Steigung zu testen. Oben ist der Motor immer noch kühl und man hat eine schöne Aussicht über die Stadt. Samuel gibt uns grünes Licht. Wir dürfen weiterfahren!



Vor der Abreise nach Antigua empfiehlt er uns allerdings noch einen Ölwechsel. Dazu fahren wir einige Blocks in eine Werkstatt. Schnell kommen wir an die Reihe und ein junger Mann legt sich unters Auto. Plötzlich ruft er einen Kollegen dazu und gleich schon liegen sie zu dritt unter unserer Gorda. Uns schwant übles. Die schlechte Nachricht folgt sogleich. Statt Öl fliesst Wasser aus dem Tank. Sofort rufen wir Samuel an. Er meint, dies sei kein klares Zeichen für ein Leck in der Zylinderkopfdichtung, das Wasser könne auch ein Rückstand der Arbeiten der letzten beiden Mechaniker sein. Um ganz sicher zu sein, sollen wir eine halbstündige Fahrt unternehmen und dann schauen, ob der Ölspiegel steigt, was bedeuten würde, dass Wasser ins Öl fliesst. Diese Instruktion befolgen wir, sind uns aber nicht ganz schlüssig, ob der Ölspiegel gestiegen ist. Wir fordern also Samuel auf, nochmal ein wenig Öl ablaufen zu lassen, um dort nach Wasser zu suchen. Erstaunlicherweise findet er nichts. Er beruhigt uns wiederholt und rät uns, die Reise anzutreten.


Nun fahren wir endgültig los in Richtung Antigua. Zwischen uns und unserem Ziel liegt allerdings noch die berüchtigte Steigung, die schon so oft unsere Abreise verzögert hat. Die Spannung ist gross. Wird die Temperatur erneut steigen?


Schon vor der Steigung bemerkt Philip, dass die Schaltung nicht mehr ganz funktioniert. Die Drehzahlen werden zu hoch, bevor der nächste Gang eingelegt wird (wenn überhaupt). Auch, als es steiler wird, verbessert sich der Zustand nicht und Gorda wird wieder einmal besiegt. Zwischenstand: Steigung: 3, Gorda: 0. So stehen zum dritten Mal an derselben Stelle am Strassenrand. Da wir den Motor nicht überhitzen lassen haben, können wir noch weiterfahren und rollen langsam den Berg wieder hinab. Der Rückweg zum Mechaniker ist eine Herausforderung. Eine nicht funktionierende Schaltung ist eben doch ein grosses Handicap im Strassenverkehr. Gott sei Dank kommen wir heil an. Ohne das gestrige Detox im Dampfbad wären unsere Stresslevel wieder im ungesunden Bereich.


Bei Samuel angelangt, haben wir keine Lust mehr. Es wird wohl ohne Gorda nach Antigua gehen. Wir lassen ihm das Auto stehen, er soll sich der Zylinderkopfdichtung annehmen. Wir hingegen packen unsere Rucksäcke und steigen in den nächsten Chickenbus. Es ist halb vier Uhr Nachmittags und bis nach Antigua dauert es noch ein ganzes Weilchen.



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